Gedicht eines Hundertjährigen
.| Ja, geschafft! Nun bin ich tatsächlich hundert Jahre.
.| Wie ich mich fühle, noch immer nicht auf der Bahre?
.| Ihr könnt fragen – einsam fühle ich mich! Was denn sonst.
.| Darauf erstmal einen Schnaps. Prost! Wohl bekomms!
.| Meine Eltern schon lange tot, Jahrzehnte gar.
.| Auch die Brüder sind beide nicht mehr da.
.| Sogar der jüngere ging vor Jahren schon aus der Welt.
.| Die geliebte Frau – auch sie hat sich zu den Toten gesellt.
.| Selbst die Kinder haben ihre Zeit auf Erden schon verbracht.
.| Alle Freunde – auch die haben’s nicht bis hierher geschafft.
.| Die alten Nachbarn alle weg und die neuen ignorieren mich.
.| War schon auf so viel Beerdigungen, nur auf meiner eignen nicht.
.| Danke Herr Bürgermeister für das Geschenk mit Bändchen,
.| auch der Blaskapelle für das schöne Ständchen.
.| Dank dem Kinderchor für die vorgetragenen Lieder.
.| Aber nun schleicht Euch alle und kommt nicht wieder.
.| Keine Lebenswünsche mehr! Bitte nicht die Einhunderteins.
.| Noch ein einsames Jahr? Danke, das muss nicht sein!
Eddie Mohonester
02/2025
- Inspiriert durch den Begriff „Hundertjährige“, den ich im Autoradio bei der Sendersuche aufgeschnappt habe.
- Text: Eddie Mohonester / Zuhause, 20.02.2025 / urheberrechtlich geschützt